Von Josef Klein

Träume sind Schäume, sagte meine Mama früher, wenn ich ihr erzählte, was ich nachts im Schlaf erlebt hatte. Schaum ist nicht greifbar. Wenn man ihn mit Händen packen will, bleiben vielleicht ein paar Seifenblasen übrig, nichts Handgreifliches, nichts, auf das man bauen kann.

Manche Therapeuten bewerten Träume anders. Sie fragen die Träumenden nach dem, was sie im Traum und danach gefühlt haben. Der Traum wird ernst genommen, weil er der träumenden Person etwas für ihr Leben Wichtiges sagt. Entsprechend dieser Vorstellung fällt es leichter, Erzählungen von Träumenden in der Bibel zu verstehen. Josef, der Mann Marias und Vater von Jesus, träumt, dass der Engel als Bote Gottes ihn auffordert, Jesus vor Herodes in Sicherheit zu bringen (Matthäus 2,13f.). Josef folgt dem Hinweis und bringt Kind und Frau in Sicherheit. Josef hat seinen Traum in jener Nacht nicht als Schaum erlebt, sondern als Motivation, zu handeln. Der Traum hat ihn zusätzlich motiviert. Der Hinweis „zusätzlich“ ist mir wichtig, weil ich denke, Josef war ein sehr wacher Mensch, der wusste, was seiner Familie drohte. Er stand vor der Entscheidung: „Rette ich Maria und mich und opfere das Jesuskind – oder aber wähle ich den ungewissen Fluchtweg?“ Ungewiss, weil Josef nicht weiß, ob die Rettung überhaupt gelingen wird. In der Situation vermittelt der Traum Sicherheit und ermutigt, das als richtig Erkannte zu tun, also Leben zu retten. Denn das will Gott.

Von Jakob wird erzählt: Im Traum sieht er eine Himmelsleiter, auf der Engel auf- und absteigen. Jakob sieht und hört Gott, der zu ihm sagt: „Siehe, ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst…“ (Genesis 18,15). Das Versprechen macht Jakob Mut auf seinem Lebensweg. Die Vorstellung von einer Himmelsleiter, also von einer Verbindung zwischen Erde und Himmel, fasziniert mich. Denn sie drückt aus, dass es mehr gibt als das, was wir vordergründig wahrnehmen. Bei allen Erfahrungen, die wir machen – Erfahrungen im Alltag, Erfahrungen voller Trauer, Erfahrungen voller Freude – können wir glauben: Wir sind getragen von einer Kraft, die es gut mit uns meint.

Der Seher in der Offenbarung beschreibt diese Kraft: „Er (Gott) wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen … Seht, ich mache alles neu.“ (Offenbarung 21,4 und 5). Dieser großartige Traum von der vollkommenen Erneuerung am Ende der Zeit macht Hoffnung.

Getragen von dieser Hoffnung hat Jesus mit seiner Botschaft vom Reich Gottes deutlich gemacht: Gutes beginnt schon jetzt, wenn wir Ausgegrenzte aufnehmen, Hungernden zu essen geben, friedenstiftend leben; Gutes beginnt schon jetzt, wenn wir die Liebe leben.

in: BKZ vom 15.11.2025