von Carsten Wriedt
„Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ So fragt Jesus nach einem Gespräch über die Meinung der Menschen seine Jünger. Wir dürfen diese Frage auch ganz persönlich hören: „Du aber, für wen hälts du mich?“ Wie wäre es, wenn Jesus vor uns steht und genauso fragt? Kann gut sein, dass wir ins Stottern kommen, dass uns die Worte fehlen, dass wir spüren: Weiß ich eigentlich, wer Jesus ist? Wer Jesus für mich ist? Möglicherweise können wir antworten, was wir im Religions- und Erstkommunionunntericht mal gelernt haben. Vielleicht wird uns aber auch bewusst, trotz der Bindung an Glaube und Kirche: So persönlich habe ich das noch nie gesehen. Ich habe immer gedacht, andere erklären mir das, kluge Theologen, hochrangige geweihte Häupter können das viel besser aussprechen.
Aber Jesus fragt seine Jünger gerade nicht, um abzufragen, was aus dem Katechismunsunterricht hängen geblieben ist. Er will keine standartisierten Antworten, die er selbst nachlesen könnte oder heute im Internet abrufen würde. Jesus sucht die ganz intime Beziehung. Er hat uns zu Kindern Gottes gemacht, zu seinen Geschwistern. Da sucht er nicht die ehrfürchtige Beweihräucherung, will nichts hören von einem Sockel, auf dem er als Denkmal gestellt -abgestellt – wird. In unserer Antwort möchte er hören, dass wir sein Brudersein annehmen. Damals antwortete Petrus völlig korrekt: Du bist der Christus Gottes (Lukas 9,20). Auf diese Antwort hin kann Jesus seine Jünger auf die bevorstehende Leidens- und Sterbesituation vorbereiten.
Heute können wir die Frage im Wissen und Glauben seines Todes und seiner Auferstehung angehen. Und: Was antworten Sie? Wie nahe, wie persönlich kommt Jesus in Ihrem Leben vor? Oder würden Sie, in guter jüdischen Lehrtradition, mit einer Gegenfrage antworten?
Im 1. Petrusbrief (Kapitel 3, Vers 15) heißt es: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“ Diese Bereitschaft ist nicht einfach, aber man kann ja mal im Gespräch mit einem guten Bekannten ausprobieren: „Und … für wen hälts du mich?“ Dann erkunden wir das Geheimnis der Liebe Jesu. Könnte sein, dass Worte das nicht fassen können.
aus: BKZ vom 18.06.2022
Sehr geehrter Herr Wriedt,
ich habe erst heute (20.06.2022) dieses Wort zum Sonntag in der BKZ gelesen.
Für wen haltet ihr mich? fragt Jesus.
Schnell habe ich vorgefertigte Begriffe parat, wie Gottessohn,
Christus, der Messias, Menschensohn. Begriffe mit welchem Inhalt?
In Einweisung ins Christentum, einem Buch von Eugen Biser lese ich, auch heute,
auf Seite 59, Jesus ist „die leibhaftige Selbstdarstellung des sich mitteilenden Gottes“.
Da steht es, wenn Jesus vor uns „steht“, ist Gott selbst anwesend.
An anderer Stelle spricht Jesus zu seinen Jüngern, „Freunde habe ich euch genannt“.
Dann ist in Jesus Gott selbst mir Freund. Dann möchte ich Gott auch Abba rufen.
Er ist dann mir, wie jedem Sucher, gütig zugewandt, voll Verständnis und vielleicht
als existenzielle Erfahrung ganz innerlich.
Ich danke Ihnen lieber Carsten Wriedt für Ihren Gedankenimpuls.
Viele Grüße
Klaus Wendler