Schriftzug: Steffen Dennert
Liebe Mitchristen von Backnang,
die Vorgänge in unserer Kirche erschüttern uns alle: Der Missbrauchsskandal, die Überordnung des Renommés der Kirche über die Würde der Opfer, auch der Klerikalismus und Machtmissbrauch, der so zum Ausdruck kommt, eine überkommene Moral, und ein überaltertes Kirchenrecht verbunden mit einer entsprechenden Sexualmoral, und einem Eherecht, das dem Menschen nicht gerecht wird.
Was kann man tun? Sich ärgern, enttäuscht sein, den inneren Rückzug antreten. Man kann aber auch widerständig werden, hoffen und vertrauen, dass aus dieser Nacht Neues wächst, dass das Evangelium die eigentliche Kraft ist, die voran macht. Die institutionelle Kirche sollte nicht weiter überhöht werden sondern als eine Institution von Menschen mit Fehlern und Schwächen gesehen werden.
Wir wollen aber auch etwas tun. Wir protestieren nicht nur, sondern wir treten in Dialog und sammeln alle Reformvorschläge, versuchen umzusetzen, was wir vor Ort können und geben das andere an die mittlere und Diözesanebene weiter. Alle Ideen, alle Entrüstung, auch die zarten Pflanzen der Hoffnung und vielleicht einer Reform sammeln wir im Pfarrbüro und versuchen sie im Kirchengemeinderat auszuwerten und umzusetzen.
Wir bitten Sie nicht aufzugeben, sondern diese Nacht der Kirche als Chance zu sehen und miteinander voranzugehen. Die Botschaft Jesu ist es wert. Und auch in unserer Kirche können wir viele Schätze miteinander leben und entdecken.
Für die katholische Gesamtkirchengemeinde Backnang,
Wolfgang Beck, Monika Schwartz, Michael König
Schreiben Sie auch einen Kommentar. Wir wollen mit Ihnen im Gespräch sein, auch über die schwierigen Dinge in unserer Kirche.
Leider, leider gibt es Missbrauch überall. In Kirchen, Vereinen und in Familien. Wenn durch ein „System“ Missbrauch eher gefördert als gemildert wird, „darf“ ich dieses System, besonders auch als christlich orientierter Mensch gerne überdenken.
„Was, du bist immer noch in diesem Verein? Ich dachte, du seiest ein selbstständig denkender, kritischer Mensch!“ Mit solchen und ähnlichen Kommentaren werde ich seit einiger Zeit immer wieder konfrontiert – teilweise sogar von Freunden und Freundinnen, die früher selbst aktiv in der Gemeinde mitgearbeitet haben.
Was mir zunehmend zu schaffen macht, sind nicht diese Bemerkungen, sondern es sind die Machtstrukturen in der Kirche, die Unfähigkeit zu längst überfälligen Reformen, die Starre des Systems. Ist das wirklich eine Kirche im Sinne Jesu?
Ich gebe zu, dass ich zur Zeit sehr distanziert bin. Corona hat dabei nur den letzten Anstoß gegeben. Ich nehme gerade eine Auszeit beim Dienst als Wortgottesfeier-Leiterin, Eucharistiehelferin, Lektorin, und ich weiß noch nicht, ob diese Auszeit eine endgültige Entscheidung sein wird. Ich frage mich, welche Bedeutung es hat, wenn ich beispielsweise eine Wortgottesfeier leite: Heißt das, dass ich mit dieser Kirche und ihren Strukturen einverstanden bin? So möchte ich meinen Dienst keinesfalls verstanden wissen! Wenn ich bedenke, wie lange ich schon darauf warte, dass sich etwas bewegt, z.B. im Bezug auf die Stellung der Frau in der Kirche, könnte ich verzweifeln!
Was also hält mich in dieser Kirche?
Es ist die Hoffnung auf einen Umbruchsprozess in Deutschland, zumindest aber auf Diözesanebene bei den Entscheidungen, die nicht von der Erlaubnis des Papstes abhängig sind.
Es ist die Hoffnung, dass das Aufbegehren stark genug ist, um notwendige Reformen durchzusetzen, ohne auf die Zustimmung von oben zu warten.
Es sind die Zeichen, die durch den Synodalen Weg und durch Gruppen wie Maria 2.0 gesetzt werden, dass mehr demokratisches Mitspracherecht eingefordert wird.
Es sind mutige Sätze, die von engagierten Menschen ausgesprochen werden und die Mut machen aktiv zu werden, wie z.B. „Kirchenrecht ist menschengemacht und kann geändert werden.“
Es sind die vielen Menschen in meiner Gemeinde, die sich im Geist Jesu um ein christliches Leben bemühen, es sind die Beziehungen und Freundschaften mit ihnen, die im Lauf der Jahre entstanden sind.
Es sind die Wurzeln, die seit meiner Kindheit gewachsen sind und die mich immer noch in der Kirche festhalten.
Erika Hien
Im Kirchengemeinderat überlegen wir, ob wir noch mehr Zeichen nach aussen setzen sollen, ein Banner, eine Einladung zum offenen Gespräch… Haben Sie eine Idee?
Gestern im Sozialaussschuss diskutierten wir darüber , ob wir uns mehr distanzieren sollen oder ob wir auch im selben Boot sitzen, auch wenn wir keine Schuld auf uns geladen haben, etwa auch uns mitschämen müssen, “ Sühne leisten“, das mitaushalten müssen. Ein Beitrag erinnerte an das Dritte Reich, dem wir Deutsche uns stellen müssen, obwohl diese Generation nichts mehr damit zu tun hat.- Jedenfalls darf man hier wie dort nicht vergessen oder wegschieben. – Grundsätzlich offenbart aber die Misere, dass dringend Reformen anstehen, bis hinein in die Theologie, etwa die Sakramentenlehre und in der Sexualmoral. Bezüglich der Machtstrukturen ist nicht nur die Kirche, auch die Gesllschaft in einem Umbruchsprozess zu mehr Baisisdemokratie hin. Das zeigt etwa eine Umfrage , wo erforscht wurde, ob durch corona ein neuer Trend diesbezüglich stattfinden würde. Die Umfrage zeigt: Nein , freilich wird dieser Trend etwa durch corona um 10-15% verstärkt. Eine gesellschaftliche Entwicklung ist im Gang, der man sich nicht widersetzen kann. Auch die Politiker wissen das. Und auch in der Kirche wird dies einziehen. Das macht Hoffnung, wenn jede Entwicklung auch Schattenseiten hat.